Plagiat: Die Zeitbombe von Hannover - ZEIT.de, 19.02.2016

Warum die Wissenschaft Politiker nicht zum Rücktritt zwingen darf

In Hannover tickt eine Zeitbombe, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zum Verhängnis werden könnte. Seit Monaten wird an der dortigen Medizinischen Hochschule untersucht, ob die Politikerin für ihre Doktorarbeit zu viel bei anderen abgeschrieben hat, ohne ihre Quellen korrekt zu nennen. Wann die Hochschule darüber entscheidet, ist ungewiss, ebenso das Ergebnis, also ob die Ministerin weiterhin ihren Doktortitel führen darf oder nicht.

Muss von der Leyen im Falle des Titelentzugs von ihrem Amt zurücktreten? Bislang gilt dieser Automatismus. Doch damit muss jetzt Schluss sein, denn er lädt selbst ernannte Hüter der Wissenschaft ein, demokratisch gewählte Politiker aus dem Amt zu kegeln.

Unvermeidlich war der Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Allzu dreist hatte er ein Patchwork von Texten anderer Autoren als seine Leistung ausgegeben, und selbst im Abgang blieb er großspurig, wo Demut gefordert war.

Doch schon der Rücktritt Annette Schavans als Bundesbildungsministerin war tragisch. In einer höchst umstrittenen Entscheidung hatte die Universität Düsseldorf ihr den Doktortitel wegen angeblicher Täuschungsabsicht aberkannt. Andere, hoch angesehene Wissenschaftler kritisierten das als "gravierende Fehleinschätzung". Schavans Doktorarbeit entspreche der damals üblichen Praxis.

20. Feb. 2016
20. Feb. 2016