Deutschland: Prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft. "Lehrbeauftragte arbeiten oft für drei Euro pro Stunde" - tagesspiegel.de, 06.02.2016

Die große Koalition ignoriert 90.000 Lehrbeauftragte mit Hungerlöhnen, schreibt Peter Grottian in einem Gastbeitrag. Er fordert ein Förderprogramm.

Unis und Forschungsinstitute sollen mit ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs pfleglicher umgehen als bisher. Ein entsprechendes Gesetz hat die große Koalition jetzt durch den Bundesrat gebracht. Da werden einige vernünftige Dinge auf den Weg gebracht. Die Vertragszeiten für wissenschaftliche Mitarbeiter werden verlängert und das Hangeln mit Verträgen vom halben Jahr zum nächsten halben Jahr unterbunden. So wird der Missbrauch von Befristungen in der Wissenschaft eingedämmt. Aber zu welchen Bedingungen?

Während es im öffentlichen Dienst sonst völlig üblich ist, dass ein beginnender Hilfsreferent in einem Landesministerium, ein Lehrer in der Schule oder Referent in der Stadtverwaltung mit einem vollen Gehalt (A 12/13) beginnt, werden die wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Hochschulen nur mit halben oder Zwei-Drittel-Gehältern abgefertigt. Dazu schweigt der Bund und die Länder sowieso. In den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst klammern die Gewerkschaften und öffentlichen Arbeitgeber das Thema in struktureller Komplizenschaft aus.

 

Oft arbeiten sie für drei Euro die Stunde

Von der Politik vollkommen vergessen sind die 90.000 Lehrbeauftragten an den Hochschulen, die oft zu Drei-Euro-Stundenlöhnen arbeiten müssen. In den Bundestagsfraktionen wird wortreich versichert, man kenne natürlich die Nöte der Lehrbeauftragten, sie hätten aber nicht mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz gelindert werden können.

Dabei wäre eine brauchbare Lösung so einfach: Der Bund beschließt mit Zustimmung der Länder ein Förderprogramm für die Lehrbeauftragten der Hochschulen, das ihre Vergütung um 50 Prozent erhöht. Statt der derzeitigen rund 1600 Euro für zwei Semester, die für Lehrbeauftragte jeweils aufzuwenden sind und in den Hochschulhaushalten etwa 44 Millionen Euro ausmachen, wäre es eine angemessene Erhöhung. 88 Millionen sind ein lächerlicher Betrag für das, was die 90.000 Lehrbeauftragten in oft aufopfernder Weise leisten, um den Zusammenbruch des Lehrbetriebs zu verhindern.

23. Feb. 2016
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