ULV-FLYER: Untergrenzen - ULV Dachverband Österreich, August 2016

Untergrenzen

Selten kommt es vor, dass Personalvertretungen bequem aus dem Fundus ihrer Arbeitgeber zitieren können, um ihre Anliegen prägnant zu artikulieren. 2015 war vom damaligen Chef der Universitätenkonferenz, Heinrich Schmidinger, vom Erfordernis eines Kulturwandels zu hören, damit der Wissenschaft und Forschung jene Priorität eingeräumt wird, die für das 2%-BIP-Ziel für Universitäten erforderlich ist. Zwei Vorsitzende, aber nicht einmal ein Jahr später spricht der amtierende UNIKO-Präsident Oliver Vitouch gar von einer nationalen Schande, „dass die Politik nicht dafür sorgt, dass wir über bessere Forschungs- und Lehrbedingungen verfügen.“ Bilden Rektorinnen und Rektoren der Universitäten einerseits und Interessensvertretungen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals andererseits mittlerweile eine gemeinsame Front? Tatsache ist sicherlich, dass sie gemeinsam ihren Unmut über nicht eingehaltene Versprechungen und irreführende Einsparungsmanöver teilen.

Das Universitätsgesetz 2002 wurde als innovative  Strukturreform angekündigt und entpuppte sich zusehends als Mogelpackung: Die versprochene Autonomie dient als Modus der Mängelverwaltung, der Universitätenkollektivvertrag der Personalgängelung, die Top-down-Organisation der überkommenen hierarchischen Organisationsform und das restriktive Studienrecht der Studierendensteuerung. Die Liste dessen, was trotz politischer Versprechungen von der Implementierung des Kollektivvertrags bis zu einer imaginären Anzahl neuer zusätzlicher Professuren alles letztlich nie budgetiert wurde, wird immer länger. Andererseits treibt das Verlangen nach Reduzierung der Anzahl von Studierenden stil- und phantasievolle Blüten mit dem Ziel der Schaffung eines kalkulierbaren Status Quo, einer Art intellektueller Nachlassverwaltung: Die Universitäten sollen mit einer Untergrenze des gerade noch leistbaren Human- und Sachmitteleinsatzes wirtschaften.

Was bedeutet dieser Status Quo?

Zunächst einmal eine klare bildungspolitische Botschaft: Ihr, die Ihr studieren wollt, wir brauchen Euch nicht; Ihr belastet die Gesellschaft. Ihr, die Ihr im Bereich für Forschung, Lehre, Kunsterschließung und Verwaltung arbeitet, seid froh, dass Ihr das im Rahmen dessen, was davon übrig geblieben ist, in zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen noch dürft. Eure Leistung zählt nichts, solange sie nicht unmittelbar Anwendung findet und Impactpunkte aufweist. Was nichts kostet ist nichts wert. Was (momentan) nichts bringt, darf nichts kosten. Nicht der Mensch ist Mittelpunkt, sondern der Mensch ist Mittel. Punkt.

Wenn entgegen den Wahrnehmungen die Zielsetzungen österreichischer universitärer Bildungspolitik im Heranbilden mündiger Mitglieder der Gesellschaft bestehen, so bedarf es dringender budgetärer Sofortmaßnahmen zur Stärkung der gesamten Universitätslandschaft. Ansonsten wäre der Umkehrschluss unausweichlich, dass nämlich das geistige Training, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen, eine Bedrohung für politische Verantwortungsträger darstellt. Betrachtet man die Universitätspolitik der letzten 15 Jahre nüchtern, fällt es schwer, ein solches Evaluierungsergebnis auszuschließen.

Vorschlag: Die Regierung beschließt 2% des BIP für Universitäten innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erreichen (Verfassungsbestimmung, sicherheitshalber). An den Universitäten gibt es seit vielen Jahren große Baustellen, die auf Sanierung warten. Sie sollen Drittmittel einwerben, deren Geldquellen mehr und mehr versiegen. Die angewandte Forschung wird gegenüber der Grundlagenforschung bevorzugt. Ist es in diesem Zusammenhang ein Zufall, dass Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium fusioniert sind? Dem Personal bleibt – abgesehen von der Freizeit – kein Raum für Forschung. Arbeitsverträge sind „all inclusive“ und trotzdem befristet, denn die Personalkosten müssen runter, runter, runter. Vom Globalbudget müssen immer mehr Positionen übernommen werden, die dort eigentlich nicht hingehören, wie z.B. Gebäudemieten. Merkwürdig: Beim Bau eines Krankenhauses käme niemand auf die Idee, das leere Gebäude als eine Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zu verkaufen. Die Universitäten hingegen eröffnen mit großem Pomp neue Bauten, die darin tätigen ForscherInnen, Künstlerlnnen und Lehrenden sowie die Studierenden sind aber wegen der mit ihnen verbundenen Kosten weniger erwünscht.

Was will der Träger der Budgethoheit damit signalisieren? Grenzen der Zumutbarkeit? Diese sind längst überschritten. Gerade hat der Rechnungshof die Einrichtung der medizinischen Fakultät an der Universität Linz als sinnlos erkannt. Dieses universitäre Föderalismus-Förderprogramm wird 630 Millionen Euro kosten, was ziemlich genau dem Betrag der ministeriellen „Hochschulmilliarde“ entspricht (Achtung: kein mathematischer Zynismus!), die sämtlichen Universitäten für die laufende Leistungsvereinbarungsperiode zusätzlich zur Verfügung steht. Laut Rechnungshof konnte die damalige Finanzministerin Maria Fekter schon 2013 zusagen, dass „die den Bund treffenden Verpflichtungen für die Errichtung und den Betrieb der Medizinischen Fakultät an der Universität Linz zusätzlich zur Finanzierung der anderen Universitäten“ erfüllt werden. So einfach kann`s gehen, wenn man die richtigen Freunde hat. Das zur höflichen Sprache stets verpflichtete Kontrollorgan Rechnungshof weist darauf hin, dass „zur Zeit der Überprüfung nicht nachvollziehbar feststellbar war, ob entsprechend der Zusage keine negativen Auswirkungen auf die Finanzierung der anderen Universitäten gegeben waren.“

Zur Zeit wäre es daher nicht einzusehen, warum Studierende zur Untergrenze des Status Quo etwas „beitragen“ sollten. Das ist frei von jeder Ideologie ein plausibles ökonomisches Argument. Oder würde jemand ohne Protest die Autobahnvigniette akzeptieren, wenn deren Erlös lediglich zur Finanzierung eines Mindestpersonalstands der ASFINAG herangezogen würde?

Wir sollten uns gemeinsam gegen das wehren, was letztlich eine Verunglimpfung unserer Arbeit ist, und der Politik die Messlatte dorthin legen, wohin sie mindestens kommen muss: Auf 2% des BIP. Das wäre einmal eine Untergrenze!

Stefan Schön

Pressesprecher des ULV Österreich

ULV
Verband des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den österreichischen Universitäten
ZVR 066489821

31. Aug. 2016
29. Aug. 2016